20. März 2023

Dresdner Gründerteam löst weltweites Echo aus

Die Seed-Finanzierung durch die VC-Gesellschaften Wellington Partners und Forbion in die Ausgründung aus der Universität Dresden mit dem neuen Namen „Seamless Therapeutics“ schlug medial weltweit und gerade in Fachkreisen in USA groß ein. Der Grund: die per Proteindesign sequenzspezifischen Rekombinasen sind eine Weltneuheit für die therapeutische Anwendung. |transkript.de sprach mit den Gründern Felix Lansing und Anne-Kristin Heninger

 

Die Dresdener Seamless Therapeutics hat gerade eine Seed-Finanzierung in Höhe von 12,5 Mio. US-Dollar (11,8 Mio. Euro) bekanntgegeben. Was die Investoren überzeugte, ist die bahnbrechende Rekombinase-Plattform des Unternehmens. Diese ist in der Lage, ein weitverbreitetes und etabliertes molekularbiologisches Werkzeug durch Protein Engineering zu „programmieren“, um das volle Potential des Gene Editing an jeder beliebigen Stelle des Genoms anwenden zu können. Die Seed-Runde wurde gemeinsam von Wellington Partners und Forbion geleitet und beinhaltet eine nicht verwässernde Finanzierung durch eine BMBF GO-Bio-Förderung der Phase 2.

Der im Labor und durch Frank Buchholz, Dekan der medizinischen Fakultät der Universität Dresden, entwickelte und aufgeschlüsselte Algorithmus „RecGen“ sagt zu einer bestimmten Proteinmodifizierung das passende Bindungsmotiv auf DNA-Ebene voraus – und umgekehrt. Damit wird die multifunktionsfähige Rekombinase zu einem hochspezifischen Werkzeug und könnte CRISPR/Cas den Rang ablaufen.

|transkript.de hat mit dem Gründerteam und jetzigem Vorstandsgespann über den Werdegang, die Technologie und die nächsten Schritte gesprochen.

|tk.de: Die Gründungsidee für „Seamless“ ist schon einige Zeit unterwegs auf diversen Präsentationsevents, warum hat es jetzt gezündet?

Anne-Kristin Heninger: Wir waren vor einigen Jahren noch vor unserer Gründung beim Science4life-Businessplan-Wettbewerb mit dem 2. Platz erfolgreich, daraus ergaben sich erste Kontakte zu Investoren. Über einen GO-Bio-Pitch im vergangenen Jahr und gezielten Outreach in Europa kamen dann Wellington und Forbion auf uns zu. Der erste Projektname war in den Präsentationen immer etwas sperrig, mit „Seamless“ (nahtlos) haben wir nun den direkten Link zu unserer Technologie – und das erzählt sich sehr viel einfacher.

|tk.de: Was ist das einzigartige an Ihrer Plattform? Rekombinasen sind in der Laborwelt schon lange etabliert?

Felix Lansing: Rekombinasen sind seit den 80ern beschrieben bei Bakteriophagen. Eine häufig in Laborexperimenten eingesetzte Form ist die Cre-Rekombinase. Während CRISPR/Cas durch die Leit-RNA wie mit einer Postleitzahl an eine bestimmte DNA-Sequenz geht, können Rekombinasen normalerweise nicht beliebig eingesetzt werden. Wir haben eine Plattform entwickelt, auf der eine molekulare Evolution an der Rekombinase vollzogen werden kann, die die Rekombinasen für eine beliebige Sequenz im Genom spezifisch macht.

|tk.de: Was kann eine Rekombinase, was macht die Anwendung so interessant?

Lansing: Rekombinasen sind Allrounder, sie können vier Dinge: Ausschneiden, ein Fragment umdrehen (invertieren), ein Fragment neu einbringen, und/oder mit einem vorhandenen Seuqenzbereich austauschen. Damit kann man jede Art von Mutation bearbeiten. Mit der Zielsequenz von 34 Basenpaaren, deren Erkennung wir in eine Rekombinase ein“programmieren“ können, kann eine hohe Spezifität gewährleistet werden.

|tk.de: Welche Arten von Genveränderungen sind möglich?

Heninger: Von Punktmutation bis zu vielen tausend Basenpaaren modifiziert die Rekombinase fehlerfrei – seamless, während CRISPR auf die zelluläre DNA-Reparaturenzyme angewiesen ist. Die wissenschaftliche Leistung von Prof. Buchholz‘ Labor ist, die neue Spezifität durch Design und molekulare Evolution in die Rekombinasen hineinzubringen. Dieses Vorgehen, das aktuell in Nature publiziert (Lansing et al. 2022 Nat. Com. und Schmidt et al. 2022 Nat. Com.) wurde, beweist, dass die Theorie der neuen Sequenzspezifität durch Protein Engineering in der Praxis auch funktioniert und dem keine Grenzen gesetzt sind.“

|tk.de: Die Funktionen der Rekombinase schaffen ganz andere Möglichkeiten als das Ausschneiden oder Editieren einzelner Basen. Was kann man damit anfangen?

Lansing: Beispielsweise kann unsere Rekombinase auch eine Inversion vollbringen, ein DNA-Stück umdrehen. Wir können zudem ein 140.000 Basenpaar großes Stück im Genom präzise hin und herbewegen, womit die gezielte Korrektur von größeren Fragmenten möglich wird.

|tk.de: Bei CRISPR klagen alle über die Patente, die dieses Feld eng begrenzen. Ist das bei Rekombinasen anders?

Heninger: Wir entwickeln neue Enzyme, die sofort ihre eigene IP haben. Diese neuen Varianten laufen in unserem ganz eigenen Patentschutz-Universum.

|tk.de: Auf die Gefahr hin, dass die ständigen Vergleiche mit CRISPR/Cas nerven …, wie setzt sich die Rekombinasen-Plattform davon ab?

Lansing: Die Rekombinase ist einerseits ein Werkzeug, auch im jeweiligen therapeutischen Einsatzgebiet, und könnte dort anderen zellulären oder molekularen Wirkstoffen als Hilfsmittel dienen. Oder aber die Rekombinase ist selbst das Therapeutikum. Beim Delivery haben wir mit der Größe der Rekombinase in den heute üblichen Vektoren keine Probleme, das ist wesentlich kleiner als CRISPR/Cas.

|tk.de: Was planen Sie nun nach der Finanzierung? Wie stehen Sie zu weiteren Kooperationen?

Heninger: Damit können wir nun einerseits die Technologieplattform vorantreiben, aber andererseits auch die Firma operativ weiter aufbauen und von jetzt 17 Mitarbeitern vergrößern. Wir wollen Seamless breit aufstellen, Kollaborationen eingehen, wenn sie sinnvoll sind. Manche Indikationen wären sicherlich für uns besonders interessant. Das Verpacken oder andere Hilfstechnologien, das müssen wir aber vielleicht nicht alles selbst austüfteln. Da können wir uns Partnerschaften gut vorstellen. Mit der jetzigen Finanzierung kommen wir gut aus. Wir haben ganz bewusst entschieden, wie viel wir für den nächsten Schritt benötigen. Hinzu kommt GO-Bio 2. Damit haben wir Zeit gewonnen und sollten die Daten generieren können, um eine erfolgreiche Serie A angehen zu können. Da der Gene-Editing-Markt sehr stark USA-geprägt ist, ist es unser Ziel, auch dort die Sichtbarkeit zu erhöhen.

|tk.de: Das scheint medial schon sehr gut gelungen zu sein. Entsprechende Biotech-Medien dort haben die Finanzierung sehr interessiert aufgenommen. Bieten Sie diese Technologie anderen Wirkstoffentwicklern an oder verfolgen Sie eher eigene große Ziele?

Heninger/Lansing: Wir treffen auf großes Interesse. Die Technologie kommt gut an. Wir bieten eine Plattform, die für viele Ansätze, die die Pharmaindustrie verfolgt, einen interessanten Hebel bietet. Aber wir sehen uns nicht als reiner Dienstleister mit einem Enzym, das wollen wir nicht sein. Wir wollen selbst in Richtung Klinik kommen.

Vielen Dank!

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