12.02.2019

Trends in der Energiewirtschaft: Experten-Interview mit Tobias Hasenjäger, VNG Innovation GmbH

Eingeleitet durch die Energiewende haben sich die energiewirtschaftlichen Rahmenbedingungen in den letzten Jahren stark verändert. Mit Tobias Hasenjäger aus dem Science4Life Experten-Netzwerk sprechen wir über die Herausforderungen, denen sich die Branche stellt und die Chancen für High-Tech Gründer, die Energiewirtschaft zu innovieren.

Herr Hasenjäger, die Nuklearkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011 wird oftmals als Auslöser für die Energiewende genannt. Welchen Einfluss hatte das auf die Energiewirtschaft und was hat sich seitdem getan?

Das hat die Energie- und Stromwirtschaft nochmals durcheinandergewirbelt, da man einen Kompromiss eingehen musste, die Kernkraftwerke länger zu betreiben. Doch nach Fukushima hat die Regierung entschieden, den Ausstieg schneller zu vollziehen. Dies führte dazu, dass bei vielen Stromkonzernen die Kernkraftwerke gesondert abgeschrieben werden mussten, was einen erheblichen wirtschaftlichen Effekt hatte. Die Konzerne bemühten sich nun, die Energiewende zügiger voranzutreiben. Bereits vor Fukushima wurde zwar etwas für Erneuerbare Energienin der Energiewirtschaft getan, allerdings waren sich die Unternehmen unsicher, wie viel Geld in alternative Energien allokiert werden sollte, solange die Bundesregierung bei der Umstellung des Erzeugungssystems noch keinen großen Druck ausübte.

Wie machen sich die zunehmende Urbanisierung und der demographische Wandel in der Energiewirtschaft bemerkbar?

Urbanisierung betrifft die Energiewirtschaft, da wir uns von aktuell von den ursprünglichen zentralen Erzeugungssystemen wie Kraftwerken hin zu dezentralen Erzeugungssystemen entwickeln. Ein Beispiel bei der VNG Innovation GmbH ist die ViertelEnergie, die sich mit Quartierslösungen beschäftigt. Hierbei bemüht man sich, die Energieeffizienz-Bestrebungen innerhalb der Kommunen umzusetzen. Der demografische Wandel betrifft gerade in Ostdeutschland insbesondere die ländlichen Regionen. Es zeigt sich, dass tendenziell die ländlichen Regionen ausdünnen, was auch eine Herausforderung für die Energiekonzerne ist, da weniger Abnehmer existieren und sich die Bevölkerung auf die größeren Städte, wie Leipzig, konzentriert. Nach der Wende haben vor allem die jungen Leute die ländlichen Regionen verlassen, während die älteren geblieben sind. In Folge dessen steigt das Durchschnittsalter der Bevölkerung und die Anzahl an pflegebedürftigen Menschen, die auch in Bezug auf die Energieversorgung besondere Bedürfnisse haben. Aus dem demographischen Wandel heraus entwickeln sich nebenbei erwähnt auch neue Geschäftsansätze für Start-ups, beispielsweise im Bereich Überwachungssensoren oder altersgerechte Mobilitätsdienste.

Wie haben sich durch die Energiewende klassische Berufsbilder geändert? Sind vielleicht auch völlig neue Berufe entstanden?

Grundsätzlich verschieben sich natürlich die Berufsbilder, es werden beispielsweise mehr Experten benötigt, die Windkraftanlagen betreiben können, als zuvor. Das Zusammenspiel vieler dezentraler Erzeugungssysteme führt außerdem dazu, dass Software Know-how insgesamt signifikant an Bedeutung gewinnt: Wir beschäftigen uns sehr stark mit Internet of Things (IoT)– sowohl bei der Energieerzeugung, als auch beim Transport und der Speicherung. Gleichzeitig betrifft der Fachkräftemangel quasi alle hochqualifizierten Tätigkeiten in Deutschland, so auch die Energiewirtschaft. Wir können unsere offenen Stellen aktuell zwar besetzen, aber die Zahl der qualifizierten Bewerbungen sinkt und somit auch die Auswahlmöglichkeit innerhalb der Bewerber. Deshalb scouten wir zum Beispiel auch Softwaretechnologien für unsere Personalabteilung. Wir suchen nach Softwarelösungen, die den gesamten Bewerbungsprozess effizienter und resilienter gestalten, aber natürlich auch die Möglichkeit bieten, das Talent zu rekrutieren, das man gerne hätte. Bei unserer Personalabteilung steht es ganz weit oben auf der Prioritätenliste, auch diesen Prozess zu technisieren.

Das schafft einen guten Übergang zu der nächsten Frage: Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf die Energiewirtschaft? Welche Herausforderungen müssen überwunden werden, welche Chancen haben sich ergeben?

Die Digitalisierung wirkt sich in vielerlei Hinsicht auch auf die Energiewirtschaft aus. Das bereits angesprochene IoT spielt in der Anlagentechnik eine besonders wichtige Rolle, jedoch beschäftigt uns die Digitalisierung der kaufmännischen Prozesse oder überhaupt der Prozesse innerhalb des Unternehmens gleichermaßen. Auch im Vertrieb sind wir stets auf der Suche nach digitalen Produkten, um Cross- und Upselling bei den Kunden anbieten zu können, oder in Puncto Arbeitssicherheit der Wartungstechniker mittels Virtual-Reality-Brillen.
Die Digitalisierung findet in fast allen Bereichen der Energiewirtschaft statt. Früher waren wir eine sehr monopolistisch geprägte Branche, doch das hat sich bis auf den Netzbereich komplett verändert. Der Wettbewerbsdruck ist heute deutlich größer, also müssen wir die Digitalisierung nutzen, um Kosten einzusparen und uns von der Konkurrenz abzuheben. Natürlich stellt der Digitalisierungsprozess eine Herausforderung dar, aber wir können davor nicht die Augen verschließen und müssen stattdessen das Thema proaktiv angehen, um im Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren.

Was steht der Energiewirtschaft in den nächsten Jahren bevor? Wohin geht die Reise?

Die Kern-Herausforderung ist, dass wir uns wegbewegen, von zentralen Erzeugungsanlagen, hin zu dezentralen Geschäftsmodellen, die aber deutlich weniger Marge mit sich bringen und gleichzeitig bedeutend ressourcenintensiver gemanagt werden müssen. Hierbei dennoch so gewinnbringend zu agieren wie früher, ist sehr herausfordernd. Auch das Vorantreiben der Dekarbonisierung- also der Abkehr von der Nutzung kohlenstoffhaltiger Energieträger zu Gunsten des Klimaschutzes - ohne deutliche Verluste einzufahren, ist eine bevorstehende schwierige Hürde. Der Trend geht auch in Richtung Software-basierte Services. Im Grunde arbeiten wir aktuell daran, ein Portfolio komplett neuer Methoden zu entwickeln, damit wir unser Geschäft in Zukunft noch profitabel durchführen können.

Um den Bogen zum Science4Life Venture Cup zu spannen - Warum ist es gerade jetzt ein günstiger Zeitpunkt für High-Tech Gründer, ihre innovativen Ideen aus dem Bereich Energie zu präsentieren und umzusetzen?

Das ist ganz einfach: Die Energiewirtschaft wird nicht verschwinden, sie wird sich verändern. Für junge Start-ups ist es vom Timing stets sehr vorteilhaft, neuartige Lösungsansätze anzubieten, wenn die großen Player vor Problemen stehen. Denn nach dem Bequemlichkeitsprinzip gilt: Wenn die Großkonzerne keine Schwierigkeiten haben, ist die Neigung, einem Jungunternehmer zuzuhören, gleich null. Doch für das Meistern der oben angesprochenen Herausforderungen in der tradierten Energiewirtschaft sind die etablierten Player im Markt derzeit natürlich auf der Suche nach innovativen Lösungen und die Gründer finden mit ihren Geschäftsideen bedeutend einfacher Gehör.

In welchem Bereich der Energiebranche erhoffen Sie sich persönlich Innovationen und unkonventionelle Problemlösungsansätze von Start-ups und Gründern?

Insbesondere bei dezentralen Themen erhoffen wir uns neue, innovative Ansätze. In der Energiewirtschaft haben wir intrinsisch Schwierigkeiten, Produkte zu entwickeln, die im Wettbewerbsmarkt Bestand haben. Hier könnten Start-ups sinnvoll unterstützen. Ein weiteres Thema sind natürlich Daten, Datenoptimierung und das Datengeschäft: Stichwort Smart Meter, welche die Abrechnung einer bedarfsgerechten Stromnutzung ermöglichen. Weiter in der Zukunft könnten auch Wasserstoff und Wasserstoff-Batteriespeicher von Interesse sein. Aktuell würden wir in diesem Bereich zwar noch nicht investieren, sind aber stets offen für Konzepte.

Zum Abschluss: Welche Tipps würden Sie Gründern aus der Energiebranche geben?

Der Energiemarkt ist ein spezieller Markt, der immer reguliert ist. Was ich allen Neuunternehmern raten würde: Überlegt nicht, was ihr machen wollt, sondern wessen Problem ihr eigentlich lösen wollt. Wie relevant ist dieses Problem und warum ist es überhaupt wert, gelöst zu werden? Man sollte also den Fehler vermeiden, ein Pferd von hinten aufzuzäumen, indem man eine Geschäftsidee entwickelt, für die es gar keinen akuten Bedarf gibt. Des Weiteren sollte man sich natürlich im Bereich der Energiewirtschaft etwas auskennen und über die Abhängigkeiten in diesem Markt informiert sein. Das Ganze ist ein Zusammenspiel aus Einflüssen von den Erzeugern, den Netzbetreibern, den Stadtwerken, der Politik und natürlich den Endkunden. Wie sind deren Interessen, wie sieht ihre Profilfunktion aus? Wenn diese Fragen beantwortet sind, ist das „Spielfeld“ klarer abgegrenzt. Auf diesem Spielfeld sieht man nun vielleicht ein Problem und kann Lösungsansätze vorantreiben, die profitabel für alle Stakeholder sind.

 

Über Tobias Hasenjäger:

Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Passau hat Tobias Hasenjäger in mehreren Unternehmen als Investment Manager gearbeitet und ist nun Senior Investment Manager bei der VNG Innovation GmbH. Zudem ist er Co-Founder und Managing Director der 1492 Advisors UG. Bei Science4Life unterstützt Tobias Hasenjäger innerhalb des Experten-Netzwerks angehende Unternehmer.

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Rückenwind für den letzten Schritt in die Klinik: ForTra fördert GMP-konforme Herstellung neuer Arzneimittelkandidaten und regulatorische Beratung

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Vom Labor zur ersten Anwendung am Patienten: Dieser kritische Übergang erfordert nicht nur wissenschaftliche Exzellenz, sondern auch die Bewältigung komplexer regulatorischer, technischer und finanzieller Anforderungen. Die gemeinnützige ForTra gGmbH für Forschungstransfer der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (ForTra) fokussiert ihre Förderung gezielt auf diese translationale Endphase: Projekte, bei denen ein neuartiger Arzneimittelkandidat, eine innovative Therapieform oder ein medizintechnisches Produkt die Schwelle zur klinischen Prüfung erreichen. Das Ziel besteht darin, den Eintritt in frühe klinische Studien (First-in-Human) zu beschleunigen und somit den Transfer patientenrelevanter Innovationen in die medizinische Versorgung substanziell zu fördern. „Unser Ziel ist es, Projekte so weit zu entwickeln, dass sie Anschlussfinanzierungen durch öffentliche Mittel oder Investoren erhalten können“, betont Prof. Dr. Martin Zörnig, Geschäftsführer der ForTra. „So schaffen wir die Brücke, damit innovative Forschung schneller den Weg zu Patientinnen und Patienten findet – unabhängig vom Krankheitsbild oder der Marktgröße.“ Ein Beispiel für diese Brückenfunktion ist die aktuelle GMP-Ausschreibung der ForTra zur Förderung der Herstellung neuer Arzneimittelkandidaten unter Good-Manufacturing-Practice-Bedingungen. Von den 37 eingereichten Projektskizzen der Ausschreibungsrunde 2025 werden ab sofort sechs Projekte mit insgesamt 4,7 Millionen Euro gefördert. Eines dieser Projekte widmet sich einer drängenden Herausforderung in der Infektionsmedizin. Forschende des Universitätsklinikums Köln um Prof. Dr. Dr. Jan Rybniker und Dr. Alexander Simonis haben vielversprechende, vollständig humane Antikörper identifiziert. Diese neutralisieren gezielt einen zentralen Virulenzfaktor des multiresistenten Bakteriums Pseudomonas aeruginosa. Das Bakterium verursacht insbesondere bei immungeschwächten und beatmeten Patientinnen und Patienten schwere Infektionen. Die Antikörper richten sich gegen das Typ-III-Sekretionssystem des Erregers und zeigen in präklinischen Modellen eine deutlich höhere Wirksamkeit als bisher verfügbare antikörperbasierte Ansätze. Das Ziel des Projekts besteht darin, diese Antikörper zu einer neuartigen, zielgerichteten Therapie zur Behandlung und Prophylaxe antibiotikaresistenter Infektionen weiterzuentwickeln. Doch auch vor der ersten klinischen Studie gibt es eine entscheidende Hürde: die komplexen regulatorischen Anforderungen. Genau hier setzt eine neue Ausschreibung der ForTra an, die im Sommer 2025 erstmals veröffentlicht wurde. Sie finanziert Beratungsleistungen spezialisierter Consulting-Unternehmen zur Vorbereitung und Durchführung von Orientierungsgesprächen und „Scientific Advice Meetings“ mit den zuständigen regulatorischen Behörden. In diesen Gesprächen wird über die präklinischen Voraussetzungen für eine mögliche Genehmigung der geplanten klinischen Studie diskutiert und die weitere Projektentwicklung daran angepasst. Für jedes von einem unabhängigen Expertengremium ausgewählte Projekt stellt die ForTra bis zu 100.000 Euro bereit. Das Ziel besteht darin, Projektleiterinnen und Projektleiter optimal auf Gespräche mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) oder dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorzubereiten – und sie bei diesen Terminen zu begleiten. Antragsberechtigt sind forschende Medizinerinnen, Mediziner sowie Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler an gemeinnützigen Forschungseinrichtungen, deren Projekte bereits erste präklinische Daten aufweisen und den Start einer klinischen Studie zum Ziel haben. Die aktuelle Ausschreibung ist bis zum 1. Oktober geöffnet. Die Auswahl der zu fördernden Projekte soll voraussichtlich bis Ende des Jahres erfolgen. Damit setzt die ForTra ein klares Signal: Forschende, die kurz vor dem Sprung in die Klinik stehen, sollen nicht an regulatorischen Hürden scheitern. Kontakt: Prof. Dr. Martin Zörnig Geschäftsführer der ForTra gGmbH für Forschungstransfer der Else Kröner-Fresenius-Stiftung E-Mail: m.zoernig@fortra-forschungstransfer.de Telefon: +49 61728975-12

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