08.09.2022

Status quo: Wie steht es um die Deutsche Gründerszene im Jahr 2022?

Eine wachsende Zahl an Med-Techs, fehlender Gründernachwuchs und spannende Erkenntnisse zur Diversität: Die deutsche Start-up-Szene steht irgendwo zwischen post-pandemischen Chancen und fehlenden gesetzlichen Rahmenbedingungen. Wie wird sich das Ökosystem in Zukunft verändern und wo liegen Anknüpfungspunkte für Verbesserungen? Ein Blick auf den Status quo und die Zukunft der deutschen Gründerszene. 

Die zwei Seiten der Pandemie

Die Covid-19-Pandemie spaltete das Start-up-Ökosystem: Während die Krise einige Start-ups und Branchen wie den stationären Handel oder die Reisebranche schwer traf, profitierten andere stark oder entwickelten ihre Ideen zum erfolgreichen Business. Das wirkt sich auch auf den Status quo aus: Aktuell gibt es besonders viele Start-ups im Medizin- und Gesundheitswesen, Tendenz steigend. In 2021 waren es beispielsweise 1,4 Prozent mehr als noch im Vorjahr. (*1;2) Der Grund lag sicher nicht zuletzt in der gestiegenen Akzeptanz und Notwendigkeit für Innovationen im Med-Tech-Bereich. Davon zeichnete sich jedoch wenig im Investitionsvolumen ab: Kapitalgeber investierten deutlich mehr in IT-Unternehmen als in Start-ups aus dem Medizinbereich.(*1) Allerdings sollte bedacht werden, dass auch online Plattformen, Software und KI häufig medizinische Zwecke verfolgen. Ein Beispiel dafür ist auch der Science4Life-Alumni eye2you. Das Team entwickelt eine Lösung, die es Hausärzten mit Hilfe von künstlicher Intelligenz ermöglicht, Routine-Check-Ups der Netzhaut zuverlässig durchzuführen. 

Größter Verlierer war die krisengebeutelte Tourismus- und Reisebranche, die aktuell das Branchen-Schlusslicht unter den Start-up-Geschäftsmodellen bildet. Laut Deutschem Startup Monitor wurden 70 Prozent der Tourismus-Start-ups beeinträchtigt und lediglich rund 3 Prozent konnten positive Entwicklungen verzeichnen. (*1)

Geschlecht und Diversität

Die Start-up-Szene gilt als jung, innovativ und schlichtweg am Puls der Zeit gelegenes Ökosystem. In einem Punkt besteht jedoch noch immer Aufholbedarf: Der Anteil von Gründerinnen. Die Zahl weiblicher Gründerinnen steigt zwar Jahr für Jahr an, liegt mit aktuell 17,7 Prozent aber weit entfernt von einer ausgeglichenen Marke. (*1) Um genau diese zu erreichen, ist vor allem die allgemeine Förderung von Gleichberechtigung und Diversität in der Gesellschaft wichtig. Denn sind hier die Weichen gestellt, wird auch die Geschäftswelt davon profitieren. Eine 2020 durchgeführte Studie des Charta der Vielfalt e.V. belegt, in welchem Umfang Diversität in der Arbeitswelt an Relevanz gewinnt. So sehen beispielsweise zwei Drittel der Unternehmen in Deutschland mit Diversity Management konkrete Vorteile für ihr Unternehmen verbunden. (*4) 

Etwas anders sieht es beim Faktor Herkunft aus. Über ein Viertel der Start-up-Mitarbeiter kommt laut dem DSM aus dem Ausland. Zudem hat mehr als jeder fünfte Gründer einen Migrationshintergrund. (*1) Neben Geschlecht und Herkunft gilt es in den kommenden Jahren jedoch auch andere Diversitätsdimensionen zu etablieren. Denn diverse Teams sind nicht nur inklusiv, sie steigern auch die Innovationskraft innerhalb von Unternehmen. (*5;6) So können Start-ups auch von Faktoren wie Altersdiversität oder körperliche-/geistige Fähigkeiten profitieren. Der Anteil der arbeitslosen Fachkräfte ist laut dem Bundesministerium für Wirtschaft unter Menschen mit Handicap beispielsweise höher als bei Menschen ohne Handicap. (*7) Hier liegen immens viele ungenutzte Chancen für Unternehmen zur Mitarbeitergewinnung.  

Gründernachwuchs

Mit etwa 85 Prozent hat der mit Abstand größte Teil an Gründenden in Deutschland einen Hochschulabschluss. (*1) Das bedeutet jedoch nicht, dass viele Studierende nach ihrem Abschluss gründen. Der Branchenexperte und Dozent für Digital Entrepreneurship, Prof. Dr. Tobias Kollmann spricht im Science4Life Podcast beispielsweise von seiner eigenen Erfahrung. Er verrät, dass der Anteil an Jungunternehmern unter den Hochschulabgängern durchaus ausbaufähig ist.(*8) Der Großteil an Absolventen strebt nach dem Abschluss immer noch eher nach Sicherheit und einer Festanstellung. Gerade in Deutschland ist dieses Sicherheitsdenken stark ausgeprägt: Laut dem Analyse-Institut Hofstede Insights, liegen die Deutschen in puncto langfristigem Denken und sicheren Vorausplanen sehr weit vorne und deutlich über Ländern wie Frankreich, den USA oder Großbritannien. (*9) Der Fakt, dass mit über 80 Prozent ein Großteil der Start-ups scheitert, trägt dem leider nichts Positives entgegen. (*10;11)

Um diese Denkweise zu ändern und die Zahl der Nachwuchsgründer zu steigern, sollte das Bildungssystem schon früh ansetzten und die Einstellung junger Menschen im Bezug aufs Gründen positiv prägen. So könnten Entrepreneure und CEOs als Redner und Gastdozenten an Hochschulen, Universitäten oder sogar schon in Schulen die Relevanz von Start-ups herausstellen und junge Menschen motivieren, selbst zu gründen. Neben Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung sollte auch Entrepreneurship in den Lehrplan der Mittel- und Oberstufen mit aufgenommen und unterrichtet werden. 

Welche Technologien und Geschäftsmodelle sind relevant?

Eine der relevantesten Zukunftstechnologien stellt nach wie vor Künstliche Intelligenz dar. Ob im Life Sciences-Sektor, beim Online-Handel oder der Mobilität von morgen: KI findet Anwendung in unzähligen Bereichen und soll uns das Leben erleichtern. So kann die Technologie eine tragende Rolle spielen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken oder die Straßen sicherer zu machen. Zwischen 2019 und 2020 stieg die Anzahl von Unternehmen, die KI nutzen von 6 auf 8 Prozent an.(*12;13) Das ist sehr wenig, vergleicht man diese Zahl mit denen der Start-up Szene. Hier geben über 84 Prozent an, dass KI einen Einfluss auf ihr Geschäftsmodell hat. (*1)

Neben Technologien wie KI lohnt es sich, einen Blick ins Metaverse zu werfen. Das digitale “Parallel-Universum” ist seit geraumer Zeit in aller Munde und bietet scheinbar grenzenlose Geschäftsmöglichkeiten im Rahmen einer virtuellen Welt. Start-ups können hier praktisch mit allem Fuß fassen, das auch in der Realität existiert. Seien es Messen, Finanzen, Kunst, Handel oder andere Geschäftsbereiche: Das Metaverse nimmt immer weiter Form an und gewinnt auch für Gründer an Relevanz.

Auch ein großer Teil der Ideen der Science4Life Businessplanphase 2022 basierte auf einem Grundgedanken: Nachhaltigkeit. Denn hierbei handelt es sich um viel mehr als um einen Trend: Um dem Klimawandel so effektiv wie möglich entgegenwirken zu können, gilt es für junge Unternehmen Innovationskraft zu zeigen. Für über 60 Prozent der Gründer spielt das Thema in ihrem Geschäftsmodell eine Rolle. Über 40 Prozent ordnen ihr Produkt oder ihre Dienstleistung der “Green Economy” zu. (*1) Dieses Business-Modell ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern macht auch aus wirtschaftlicher Sicht Sinn, denn es gibt hier nach wie vor eine hohe Anzahl an Marktlücken. Viele Start-ups haben verstanden, dass beide Faktoren Hand in Hand gehen.

Quellen

*1 Deutscher Startup Monitor 2021 (2021). Bundesverband Deutsche Startups e. V. Abgerufen am 8. August 2022, von https://startupverband.de/fileadmin/startupverband/mediaarchiv/research/dsm/dsm_2021.pdf 

*2 Deutscher Startup Monitor 2020 (2020). Bundesverband Deutsche Startups e. V. Abgerufen am 8. August 2022, von https://deutscherstartupmonitor.de/wp-content/uploads/2020/09/dsm_2020.pdf 

*3 Capital. (2022, 24. Juni). German Start-up Awards 2022: Das sind die Gewinner. capital.de. Abgerufen am 8. August 2022, von https://www.capital.de/wirtschaft-politik/german-start-up-awards-2022--das-sind-die-gewinner-31982912.html 

*4 Studie Diversity Trends. - Für Diversity in der Arbeitswelt. (2020). Charta der Vielfalt e.V. Abgerufen am 10. August 2022, von https://www.charta-der-vielfalt.de/aktivitaeten/studie-diversity-trends/ 

*5 Van Knippenberg, D., De Dreu, C. K. W., & Homan, A. C. (2004). Work group diversity and group performance: An integrative model and research agenda. Journal of Applied Psychology. Athens.

*6 Parrotta, P., D. Pozzoli & M. Pytlikov (2012). Does Labour Diversity Affect firm productivity?. ssrn electronic journal. Rochester.

*7 Fachkräfte finden – Rekrutieren von Menschen mit Behinderung (2012) Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie. Abgerufen am 10. August 2022, von https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Ausbildung-und-Beruf/fachkraefte-finden-rekrutierung-von-menschen-mit-behinderung.pdf?__blob=publicationFile&v=1 

*8 Kollmann, T. (2022, 17. Juni). Wie entwickelt sich die Deutsche Start-up-Szene? [Audio-Podcast]. In: Science4Life Podcast. Science4Life. https://open.spotify.com/episode/66CV34jILqa3jlvHihrAC2 

*9 Hofstede Insights. (2021, 21. Juni). Country Comparison. Abgerufen am 10. August 2022, von https://www.hofstede-insights.com/country-comparison/france,germany,the-uk,the-usa/ 

*10 Gründerpilot. (2022, 17. März). Wie viele Startups scheitern. Gründerpilot. Abgerufen am 10. August 2022, von https://www.gruenderpilot.com/wie-viele-startups-scheitern/ 

*11 Embroker. (2022, August 3). 106 Must-Know Startup Statistics for 2022. Embroker. Abgerufen am 10. August 2022, von https://www.embroker.com/blog/startup-statistics/ 

*12 Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Deutschen Wirtschaft (2019) Bundesministerium für Wirtschaft und Energie https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/einsatz-von-ki-deutsche-wirtschaft.pdf?__blob=publicationFile&v=8#:~:text=Im%20Jahr%202019%20haben%20rund,8%20%25%20aller%20Unternehmen%20im%20Berichtskreis

*13 Bitkom e.V. (2021, 21. April). Künstliche Intelligenz kommt in Unternehmen allmählich voran. Abgerufen am 10. August 2022, von https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Kuenstliche-Intelligenz-kommt-in-Unternehmen-allmaehlich-voran

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Rückenwind für den letzten Schritt in die Klinik: ForTra fördert GMP-konforme Herstellung neuer Arzneimittelkandidaten und regulatorische Beratung

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Vom Labor zur ersten Anwendung am Patienten: Dieser kritische Übergang erfordert nicht nur wissenschaftliche Exzellenz, sondern auch die Bewältigung komplexer regulatorischer, technischer und finanzieller Anforderungen. Die gemeinnützige ForTra gGmbH für Forschungstransfer der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (ForTra) fokussiert ihre Förderung gezielt auf diese translationale Endphase: Projekte, bei denen ein neuartiger Arzneimittelkandidat, eine innovative Therapieform oder ein medizintechnisches Produkt die Schwelle zur klinischen Prüfung erreichen. Das Ziel besteht darin, den Eintritt in frühe klinische Studien (First-in-Human) zu beschleunigen und somit den Transfer patientenrelevanter Innovationen in die medizinische Versorgung substanziell zu fördern. „Unser Ziel ist es, Projekte so weit zu entwickeln, dass sie Anschlussfinanzierungen durch öffentliche Mittel oder Investoren erhalten können“, betont Prof. Dr. Martin Zörnig, Geschäftsführer der ForTra. „So schaffen wir die Brücke, damit innovative Forschung schneller den Weg zu Patientinnen und Patienten findet – unabhängig vom Krankheitsbild oder der Marktgröße.“ Ein Beispiel für diese Brückenfunktion ist die aktuelle GMP-Ausschreibung der ForTra zur Förderung der Herstellung neuer Arzneimittelkandidaten unter Good-Manufacturing-Practice-Bedingungen. Von den 37 eingereichten Projektskizzen der Ausschreibungsrunde 2025 werden ab sofort sechs Projekte mit insgesamt 4,7 Millionen Euro gefördert. Eines dieser Projekte widmet sich einer drängenden Herausforderung in der Infektionsmedizin. Forschende des Universitätsklinikums Köln um Prof. Dr. Dr. Jan Rybniker und Dr. Alexander Simonis haben vielversprechende, vollständig humane Antikörper identifiziert. Diese neutralisieren gezielt einen zentralen Virulenzfaktor des multiresistenten Bakteriums Pseudomonas aeruginosa. Das Bakterium verursacht insbesondere bei immungeschwächten und beatmeten Patientinnen und Patienten schwere Infektionen. Die Antikörper richten sich gegen das Typ-III-Sekretionssystem des Erregers und zeigen in präklinischen Modellen eine deutlich höhere Wirksamkeit als bisher verfügbare antikörperbasierte Ansätze. Das Ziel des Projekts besteht darin, diese Antikörper zu einer neuartigen, zielgerichteten Therapie zur Behandlung und Prophylaxe antibiotikaresistenter Infektionen weiterzuentwickeln. Doch auch vor der ersten klinischen Studie gibt es eine entscheidende Hürde: die komplexen regulatorischen Anforderungen. Genau hier setzt eine neue Ausschreibung der ForTra an, die im Sommer 2025 erstmals veröffentlicht wurde. Sie finanziert Beratungsleistungen spezialisierter Consulting-Unternehmen zur Vorbereitung und Durchführung von Orientierungsgesprächen und „Scientific Advice Meetings“ mit den zuständigen regulatorischen Behörden. In diesen Gesprächen wird über die präklinischen Voraussetzungen für eine mögliche Genehmigung der geplanten klinischen Studie diskutiert und die weitere Projektentwicklung daran angepasst. Für jedes von einem unabhängigen Expertengremium ausgewählte Projekt stellt die ForTra bis zu 100.000 Euro bereit. Das Ziel besteht darin, Projektleiterinnen und Projektleiter optimal auf Gespräche mit dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) oder dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorzubereiten – und sie bei diesen Terminen zu begleiten. Antragsberechtigt sind forschende Medizinerinnen, Mediziner sowie Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler an gemeinnützigen Forschungseinrichtungen, deren Projekte bereits erste präklinische Daten aufweisen und den Start einer klinischen Studie zum Ziel haben. Die aktuelle Ausschreibung ist bis zum 1. Oktober geöffnet. Die Auswahl der zu fördernden Projekte soll voraussichtlich bis Ende des Jahres erfolgen. Damit setzt die ForTra ein klares Signal: Forschende, die kurz vor dem Sprung in die Klinik stehen, sollen nicht an regulatorischen Hürden scheitern. Kontakt: Prof. Dr. Martin Zörnig Geschäftsführer der ForTra gGmbH für Forschungstransfer der Else Kröner-Fresenius-Stiftung E-Mail: m.zoernig@fortra-forschungstransfer.de Telefon: +49 61728975-12

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